2014, Heft 4 * Wort der Schriftleitung
In Deutschland sind 2010 dreimal mehr Menschen durch Suizid gestorben als bei Verkehrsunfällen. Insgesamt haben sich ca. 10000 Menschen selbst getötet, die Anzahl von Suizidversuchen liegt zehnmal höher. Es wirkt präventiv, wenn in Nachrichtenmedien zurückhaltend von vollzogenen Suiziden berichten wird, denn der sogenannte Werther-Effekt ist nachweisbar.
201So gab es in den Wochen nach dem von einer breiten Öffentlichkeit wahrgenommenen Suizid des Fußballtorwarts Robert Enke (2009) fünf bis sechsmal mehr Schienentode als zuvor, zugleich wurde der Zusammenhang von Suizid und Depression intensiv thematisiert. Durch diese Ausgabe des THEOLOGISCHEN GESPRÄCHS werden Menschen in pastoraler und seelsorgerlicher Tätigkeit interdisziplinäre Informationen und Impulse zum Umgang mit Suizidabsichten gegeben, um so zur vertieften Reflexion der eigenen Rolle in der Begegnung mit suizidalen Menschen beizutragen.
Der Elstaler Alttestamentler Dr. MICHAEL ROHDE geht vor dem Hintergrund der meist negativen Bewertung des Suizids in der Theologiegeschichte dem ursprünglichen biblischen Befund nach. Die meist kurzen Erwähnungen von Suiziden und Suizidabsichten in den alttestamentlichen, neutestamentlichen und apokryphen Schriften werden dargestellt und geordnet. Auffallenderweise halten sich die biblischen Überlieferungen mit einer expliziten Bewertung sehr zurück, so dass weitere Kriterien für ein ethisches Urteil notwendig sind.
Dr. med. CLAUDIA ROSENTHAL ist Fachärztin für Allgemeinmedizin mit Weiterbildung in Psychiatrie und Psychotherapie und arbeitet als Ärztin im Alexianerkrankenhaus (Aachen), einem Fachkrankenhaus mit angeschlossener Akutklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik. Ihr Beitrag präsentiert Informationen und Einschätzungen aus ärztlicher Sicht. Beim 4. Gesundheitskongress in Bielefeld 2014 haben Claudia Rosenthal und Michael Rohde ein Seminar zum Thema „Suizid und Suizidversuche in biblischer und ärztlicher Perspektive“ abgehalten, das auf großes Interesse stieß. Aus der gemeinsamen Arbeit entstand die Idee, Beiträge zu verfassen, die einem noch größeren Kreis von Interessenten Informationen und Anregungen zur Auseinandersetzung mit dem Thema vermitteln.
Wir sind dankbar, dass WINFRIED GLATZ der Bitte des Herausgeberkreises entsprochen hat, eine weitere Perspektive auf das Thema einzubringen, indem er ethische und seelsorgerliche Aspekte betrachtet. Winfried Glatz arbeitet im Berliner Krisendienst und als Pastor im Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden. Sein Beitrag betrachtet acht typische Argumente und damit verbundene Werte im Umgang mit Suizid. Darüber hinaus reflektiert er exemplarisch die Gesprächssituation eines Angehörigen oder Helfers mit einem suizidalen Menschen und entwickelt eine idealtypische Haltung für eine solche Begegnung. Sein Aufsatz verbindet tiefe theologische Reflexion mit der seelsorgerlichen bzw. therapeutischen Praxiserfahrung.
Für die Predigtwerkstatt hat WOLFGANG THEIS, Praktischer Theologe der Theologischen Hochschule Ewersbach, seine Verkündigung zu einem Abschnitt der Bergpredigt, nämlich den Worten Jesu zu Salz und Licht, zur Verfügung gestellt. SIMON WERNER, Pastor der evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde Nordhorn, der im Fach Neues Testament an einer Dissertation zur Auslegungsgeschichte der Bergpredigt arbeitet, hat die Besprechung der Predigt übernommen.
Im Blick auf das Thema dieser Ausgabe und andere herausfordernde Konflikte möge diese Ausgabe des THEOLOGISCHEN GESPRÄCHS dazu beitragen, dass die Salz- und Lichtkraft von Christen zunimmt.
Dr. Michael Rohde (Schriftleitung)